Ich habe Irene – so möchte ich sie hier nennen – schon einige Male begleitet.
Ausgangspunkt für die epa Begleitung ist Irenes Gefühl von Lethargie bezüglich ihrer Arbeit. Sie hat Angst, dass sich beruflich nichts weiter für sie bewegt, dass ihre Existenz gefährdet ist. Sie hat zwar Ideen für ihren eigenen beruflichen Weg, fühlt aber gleichzeitig die Unmöglichkeit sie umzusetzen. Ihre alte Arbeit möchte sie nicht wieder aufnehmen, eine neue, die sie sieht, kann sie nicht beginnen.
Meist beginnen die Einzelbegleitungen damit, dass Irene etwas wahr nimmt und ich dies aufnehme und sie in ihrer Kommunikation mit sich selbst begleite. Dieses Mal habe ich nach der Bitte um höhere Unterstützung für ihre Begleitung ein Bild, das unser Ausgangspunkt für die epa Begleitung darstellt: Ich sehe einen dicken Sonnenstrahl, der von einem heiterem Himmel auf eine Person fällt – ich weiß, es ist Irene – die auf der Erde liegt und von diesem Strahl eingehüllt wird. Für Irene ist dieses Bild stimmig.
Außerdem nehme ich wahr und sage es ihr auch, dass dies heute ihre persönliche Initiation ist – in ihr eigenes “So sein”.
Solches Wissen und Bilder werden mir in der Regel nicht gleich zu Beginn mitgeteilt. Ausgangspunkt für die Begleitungen sind meist die Wahrnehmungen derjenigen, die ich auf ihrer Reise zu sich selbst unterstütze. Vielleicht zeigen sich die Bilder dieses Mal sofort bei mir, da bei vorherigen Begleitungen schon viel Vorarbeit geleistet wurde.
Ich bitte Irene, sich in die am Boden liegende Person hinein zu fühlen und zu schauen, ob sich dies auch richtig für sie anfühlt. Es ist stimmig für sie. Sie genießt den goldenen Strahl, der jetzt auch leicht bläulich an den Rändern schimmert.
Nach einer kurzen Zeit wird sie unruhig, da sie sich dort auf dem Boden nicht lebendig fühlt. Irene nimmt die Person als Mädchen wahr, dass dort liegt, in Jungenkleider gehüllt ist und nicht weiß wer sie ist. Das äußere Kleid ist mit ihr – dem Mädchen – nicht verbunden. Dieses Mädchen ist sie selbst.
Auch die folgenden Bilder oder Impulse werden – wie in unseren Begleitungen üblich -, von ihr begrüßt, nach ihren Wünschen – was kann ich für dich tun? – oder Botschaften befragt. So hat Irene jetzt den Impuls, das Mädchen, das auf dem Boden liegt, in ihren Arm zu nehmen. Danach nimmt sie wahr, dass der Kopf mit den Jungenkleidern vom Mädchen getrennt auf dem Boden liegen geblieben ist. Der Körper des Mädchens ohne Kopf liegt in ihren Armen. Sie hält einen Torso. Mädchenkörper und Kopf mit Jungenkleider sind voneinander getrennt.
Mit Hilfe weiterer Bilder und Schritte identifiziert sie den Kopf mit den Jungenkleidern zum Vater zugehörig, als seine Wünsche, die er eigentlich in seinem Leben erreichen wollte. Sie hatte seine Wünsche übernommen und den Wunschberuf ihres Vater ergriffen. Darin war sie auch eine Zeitlang erfolgreich, jetzt aber schon länger nicht mehr. Zurzeit kommt sie beruflich für sich nicht weiter. Etwas Neues anzufangen ist ihr nicht möglich, sie ist stattdessen lethargisch.
Irene hat den Impuls ihren vergangenen beruflichen Erfolg jetzt ihrem Vater zum Geschenk zu machen, was diesen berührt und verändert. Er nimmt ihr Geschenk an und kann ihr daraufhin auch erlauben, ihren eigenen Weg (auch im Beruf) zu gehen.
Dies ist umso bedeutsamer, da in der Vergangenheit auch ein Missbrauch des Vaters gegenüber seiner Tochter stattgefunden hat. Diese traumatischen Erlebnisse wurden schon in den vorherigen Begleitungen in eine Transformation geführt und geheilt. Ihrem Vater heute ein Geschenk zu machen, nämlich ihren Erfolg in seinem Wunschberuf an ihn zu übergeben, ist schon ein großes Zeichen und ein weiterer Schritt auf dem Weg ihrer Heilung.
Das Geschenk an ihn wiederum setzt sie frei auch alles andere zum Vater Gehörende an ihn zurück zu geben – u.a. auch die Schulden, die sie durch seinen Druck (mit dem sie sich identifiziert hat) angehäuft hat. Sie muss jetzt nicht mehr seinen beruflichen Weg gehen und kann Erfolg für sich neu definieren.
Ihre Schulden reicht sie heute in Form eines leeren Eimers an den Vater. Irene nimmt Vater und Tochter jetzt allein in einem Raum wahr, was ihr früher große Angst eingejagt hätte. Der Vater füllt den ihm gereichten Eimer mit Kohlen für ein Feuer und zündet es an. Irene wird damit erwärmt und dankt ihm. Zwischen Vater und Tochter besteht jetzt eine neue Verbindung, gereinigt vom Missbrauch auf mehreren Ebenen. Sie hat jetzt keine Angst mehr vor ihm und braucht seine Wünsche nicht mehr zu ihren zu machen, sie ist frei ihren eigenen beruflichen Weg zu gehen. Ihre Existenzangst kann gehen.
Da der Missbrauch durch den Vater bisher fast alles bei ihr beherrscht hat, ist die Beziehung von Irene zur Mutter belastet, da sie sich von ihr im Stich gelassen gefühlt hat. Ihre Mutter hat sie als Mädchen gegenüber ihrem Vater nicht beschützt.
So ist das Auftauchen ihrer Mutter in Irenes Wahrnehmung jetzt eine wichtige neue Entwicklung. Die Mutter ruft sie zum Essen. In Irenes jetzigem Bild ist das kleine Mädchen erleichtert, springt an die Hand ihrer Mutter und fühlt zum ersten Mal eine Verbindung zu ihr. Erstmals in ihren Begleitungen nimmt Irene die Mutter als positiv wahr, es zeigt sich eine eigenständige Beziehung von Tochter zu Mutter.
Erst jetzt kann Irene in weiteren Schritten ihre Weiblichkeit in Besitz nehmen und füllt sie mit ihren eigenen Qualitäten. Diese braucht keine Angst mehr um ihre Existenz zu haben, ihre Existenz im eigentlichen Sinn des Wortes, da sie nicht mehr vom Vater beherrscht ist. Die Angst um sie ist transformiert. Auf ihrem neuen Weg begleitet sie jetzt ihre gesunde Angst, wie sie diese neu empfundene Angst selbst bezeichnet.
Erneut nimmt sich Irene in dem Sonnenstrahl liegend wahr, fühlt sich lebendig, steht auf und geht los.
Heute legt sich also ihre Existenz frei – ihre Existenz als Mädchen und Frau, als ihr Sosein -trennt sich von einer bisher beklemmenden Angst, die sie hindert, sich auf ihren eigenen Weg, auch bezüglich ihres Berufes zu begeben. Die beiden bisher zueinander gehörenden Teile Existenz – Angst (kann ich mich ernähren, überlebe ich? – Themen in vorherigen Begleitungen) trennen sich und entfalten ihre eigenen Qualitäten. Das kleine Mädchen hat keine Angst mehr vor dem übermächtigen Vater, sie darf eine Frau werden mit eigenen Zielen.
Sie als Frau darf leben, nach ihren eigenen Impulsen und Wünschen, erst jetzt, nachdem eine Verbindung zu ihrer Mutter entstanden ist, eine Rückbindung an das Weibliche geglückt ist.
Eine gesunde Angst, die wie eine Laterne ihren neuen unbekannten Weg erhellt, wird von ihr begrüßt und mit großer Erleichterung auf ihren Weg eingeladen. Diese von ihr als gesund empfundene Angst kannte sie bisher nicht. Außerdem lädt Irene, sozusagen als zweite Laterne, das Vertrauen ein.