Ein 55 jähriger, beruflich sehr erfolgreicher Mann namens Ernst, hat soviel Wut in sich, dass er fürchtet, sie nicht weiter unter Kontrolle haben zu können. Er fühlt sich schon lange “krank vor Wut”.
Als er sich hingelegt hat, die Augen geschlossen und um höhere Unterstützung gebeten hat, sieht er unvermittelt im Wald einen Mann am Galgen hängen. Dieser scheint, obwohl erdrosselt, noch zu leben. Mutig geht Ernst auf ihn zu und spürt, dass er abgenommen werden möchte. Ernst nimmt ein Messer und schneidet den Mann vom Galgen ab. Der Körper ist schwer und Ernst legt ihn hin, während er sich selbst setzt und den Kopf in seine Arme nimmt. Der Erhängte schaut Ernst in die Augen.
In diesem Moment verwandelt sich das Gesicht und es ist ein junger Mann, den Ernst kennt. In seinen Armen liegt Fred.
Fred hatte einen Herzfehler und durfte deswegen in der dörflichen Fussballmanschaft nicht mitspielen. Er war Torwart. 15 jährig rannten alle Jungs nach einem Fußballspiel zum Bus. Sie hatten wieder zu spät das Spiel beendet und fürchteten, den letzten Bus zu verpassen. Auch Fred rannte. Nach kurzer Strecke brach er auf der Wiese zusammen. Er rang nach Luft und sagte nichts mehr. Ernst war hingerannt, hatte sich hingesetzt und hatte seinen Kopf in die Arme genommen. Fred schaute jetzt Ernst nur noch mit stummen großen Augen an, als dieser ihn in den Armen hielt, sein Atmen wurde langsamer und hörte schließlich auf. Fred starb in Ernsts Armen, während all die Anderen darum herum standen. Wortlos, fassungslos, hilflos. Später kam ein Krankenwagen, doch es war zu spät. Niemand sprach mehr ein Wort. Überhaupt sprach niemand mehr darüber.
Tagsdrauf in der Schule, wer hätte es besser wissen müssen als der Priester: “Gott hat Gefallen daran gefunden, Fred zu sich zu holen.” Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Klasse und alle waren noch hilfloser als zuvor. Und der Priester, offensichtlich selbst völlig hilflos, zerschlug daraufhin mit der Faust die Tafel!
Jetzt, 40 Jahre später, sprechen Ernst und Fred miteinander. Fred dankt Ernst. Dankt ihm für seine Liebe und für seine Begleitung in den Tod. Er hat ihn nicht einfach liegen gelassen. Er hat sich zu ihm gesetzt, hat seinen Kopf gestützt und ihn in den Armen gehalten. Er hat ihm Vertrauen gegeben und ihn in den Tod begleitet. Das war das größte Geschenk, das er ihm machen konnte!
Und Ernst dankt Fred für die Erfahrung. Erst jetzt kann er sie sehen. Und – Erst jetzt kann er auch sehen, dass damals der, von dem sie als Einzigem noch Hilfe erwarten konnten, der Priester selbst hilflos war.
Die Hilfe, die Unterstützung, die Erfahrung, die Liebe, das alles steckt in jedem von uns selbst. Wir erwarten es im Außen, aber es steckt im Inneren. Erst jetzt, da wir nicht mehr nur hilflos allen unseren Gefühlen unterliegen, sondern aktiv mit ihnen in Kontakt treten, können wir all die Kraft aus uns selbst heraus erfahren.
Die inneren Welten, die inneren Bilder, sind nicht etwas Belangloses oder nicht zu deuten. In der Emotionalen Prozess Arbeit wird nicht von außen gedeutet, die Bilder und das Wissen erschließt sich von innen. Oder: es gibt eine höhere Instanz, die es besser weiß.
Zunächst war das innere Bild bestürzend. Ein Gehängter wartete auf Abnahme des Körpers. Daraus wurde die wahre Geschichte und ihre Auflösung.
Und die Wut, die unbändige innere Wut: sie ist weg. Es war die alte Wut, die noch einmal gesehen und zur Versöhnung geführt werden wollte. Insbesondere die Wut auf den Priester steckte noch in Ernst, gepaart mit der Ohnmacht über den Tod des Freundes.